Die Grundlage der irreligiösen Kritik lautet: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Religion ist zwar das Selbstbewußtsein und die Selbstachtung des Menschen, der sich entweder noch nicht zu sich selbst durchgerungen oder sich schon wieder verloren hat. Aber der Mensch ist kein abstraktes Wesen, das außerhalb der Welt hockt. Der Mensch ist die Welt des Menschen - Staat, Gesellschaft. Dieser Staat und diese Gesellschaft bringen die Religion hervor, die ein verkehrtes Weltbewußtsein ist, weil sie eine verkehrte Welt sind...
Religiöses Leiden ist zugleich Ausdruck wirklichen Leidens und Protest gegen wirkliches Leiden. Die Religion ist der Seufzer der unterdrückten Kreatur, das Herz einer herzlosen Welt und die Seele seelenloser Zustände. Sie ist das Opium des Volkes.
Die Abschaffung der Religion als illusorisches Glück des Volkes ist die Forderung nach seinem wahren Glück. Sie aufzufordern, ihre Illusionen über ihren Zustand aufzugeben, bedeutet, sie aufzufordern, einen Zustand aufzugeben, der Illusionen voraussetzt. Die Kritik der Religion ist daher im Keim die Kritik des Jammertals, dessen Heiligenschein die Religion ist.
Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette nicht gepflückt, damit der Mensch diese Kette ohne Phantasie und Trost weiter trägt, sondern damit er die Kette abwirft und die lebendige Blume pflückt. Die Religionskritik desillusioniert den Menschen, so dass er denkt, handelt und seine Wirklichkeit gestaltet wie ein Mensch, der seine Illusionen abgelegt und seine Sinne wiedererlangt hat, so dass er sich als seine eigene wahre Sonne um sich selbst bewegt. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die um den Menschen kreist, solange er nicht um sich selbst kreist.