Im Laufe meines intellektuellen Lebens habe ich sehr intensiv das Problem erlebt, ob es nicht eigentlich anmaßend ist zu sagen, dass wir die Wahrheit kennen können - angesichts all unserer Grenzen. Ich habe mich auch gefragt, inwieweit es nicht besser wäre, diese Kategorie zu unterdrücken. Bei dieser Frage konnte ich jedoch feststellen und auch begreifen, dass der Verzicht auf die Wahrheit nichts löst, sondern im Gegenteil zur Tyrannei der Willkür führt. In diesem Fall kann nur das übrig bleiben, was wir wirklich beschließen und nach Belieben ersetzen können. Der Mensch wird degradiert, wenn er die Wahrheit nicht kennen kann, wenn alles letztlich nur das Produkt einer individuellen oder kollektiven Entscheidung ist.
Auf diese Weise ist mir klar geworden, wie wichtig es ist, dass wir den Begriff der Wahrheit nicht verlieren, trotz der Gefahren und Bedrohungen, die er zweifellos mit sich bringt. Er muss als eine zentrale Kategorie erhalten bleiben. Als eine Forderung an uns, die uns keine Rechte gibt, sondern im Gegenteil unsere Demut und unseren Gehorsam fordert und uns auf den gemeinsamen Weg führen kann.